Es könnte so schön sein. Auch in Deutschland. Hohe Berge, weite Täler… Strand gibts auch. Eine Brasilianerin hat mal gesagt, der sei nicht richtig. Dochdoch, der ist schon gaaanz echt, früher gab es auch mal richtig wilde Ecken. In den 50ern ware manche Strandabschnitte auf dem Darß unzugänglich. Man nannte es den wilden Weststrand. Heute ist alles erschlossen und das will in Deutschland etwas heißen. Zu Hause. Nirgendwo waren die Kinder ungezwungener. Nirgendwo war der Alltag geregelter.
Mittlerweile hat hier alles so seine Geschichte. Das ist übrigens ein typisch sozialpädagogischer Spruch. Ein Lieblingsspruch von vielen Kollegen und Kolleginnen. Aber auch bei Soziologen sehr beliebt. Auf Vorschriften angewandt lautet er, das wird alles schon seine Gründe haben. Wenn aber nun das Handeln einer Person seine Gründe irgendwie nicht erkennen lässt, so wird es doch zumindest seine Geschichte haben. Weil man die Gründe eben nicht zu erkennen vermag. Vielleicht ein gut gemeinter Akt der Verzweiflung.
Möglicherweise und hier kommt das sozialpädagogische ins Spiel, kann man die Geschichte dieser Person erfahren und dann, auf wundersame Weise in dieser Geschichte Kraft des eigenen rationalen Vermögens daraus Gründe erkennen. Also im Grunde eine Abwertung der Person, über die man da gerade spricht. Sie handele nicht nach Gründen. Irrational. Nach einer diffusen, mutmaßlich verwirrenden Geschichte. Alltag sozialpädagogischen Handelns. Was meinen sie, wie die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen über sie sorechen, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hat? Kleiner Trost: Ihr Unbehagen beruht auf Gegenseitigkeit.
Alltag zeichnet sich ja dadurch aus, dass sich irgendetwas wiederholt. Geliebter Alltag, herrliche Routine, oder langweiliges Leben. Der Alltag auf unserer Reise hat sich dadurch ausgezeichnet, dass alles immer sehr schnell gehen musste und bei Problemen Lösungen schnell gefunden werden mussten, damit es weiter gehen konnte. Jetzt nach der Reise warten zum Einen die Probleme geduldig, die wir zurück gelassen haben. Zum anderen gibt es tausend Baustellen mit der Überschrift „könnte man“. Das war auf Reisen anders. Das „könnte man“ löste sich in Rekordzeit zu einem „hätte man mal“ auf, wurde aber eigentlich schon vom nächsten „wie wäre es, wenn“ abgelöst. Kurz gesagt, es blieb nicht viel Zeit der Vergangenheit nachzutrauern, die von der Überpräsenten Gegenwart stets überrollt wurde.
Klar, es gab auch einen Reisealltag. Statt Alltag und Reise würde ich aber eher die Gegensätze mobil und immobil nennen, um die unterschiedlichen Zustände zu bezeichnen, in denen wir uns so befinden. Immobil passt auch gut zum Haus, ist aber auch nicht ganz richtig, denn es bewegt sich zwar, aber ganz langsam. Nach unten. Wenn man nichts dagegen tut. Und seine Bewohner, die bewegen sich auch, mehr oder weniger schnell.
In Deutschland ist alles sehr alt. Zumindest kulturell gesehen. Und den alten gehört natürlich erstmal alles. Das sieht man in der ganzen Welt, also eigentlich muss man ja von Europa sprechen, die haben ja die Welt kolonisiert. Mittlerweile hat China aber aufgeholt und zumindest große Teile von Afrika gekauft. Also, sehr alt. Auch das Haus, in dem wir jetzt wohnen. 1790 oder sowas. Und jetzt will man natürlich auch wlan. Da stellt sich dann erstmal die Frage, welche von den ganzen Dosen jetzt die richtige ist. Und dann zeigt sich an der Messung: Das Kabel ist nicht mehr das beste. Wir wollen es aber gut machen und es endet damit, dass ich mit eine Bohrmaschine verschleiße während ich die 300Jahre alte Natursteinmauer perforiere. Es hat für mich auch etwas Symbolisches. Ich habe ein Loch in diese harte Schale gekriegt.
Manche sagen, den Zensor perforieren. Das bedeutet dann, die Grundüberzeugungen, denen man im Alltag so folgt mal wanken zu lassen. Man kann sich ja das eigene Weltbild wie ein Firmament vorstellen und mit jeder kleinen Perforation wird ein wenig von der darüber liegenden Schale sichtbar. Bis die alten Überzeugungen irgendwann ausgedient haben.